Großbaustellen: Gold oder Krokodile

Elbphilharmonie, Flughafen Berlin-Brandenburg, Airbus A400M — es gibt zu jedem Thema kompetente Leute, die uns erklären, was, wann, wo, warum, wie schiefgelaufen ist und weshalb es länger dauert und mehr kostet. Natürlich kommt es stets und immer auf den Einzelfall an und um hierzu etwas sagen zu können, fehlt mir in allen Fällen das Detailwissen.

Aber es geht eben auch um das Prinzip und dazu kann ich etwas sagen.

In meinen Augen scheitern all diese Großprobleme nicht nur oder in erster Linie an den Detailteufeln in den jeweiligen Gegebenheiten.

Sie scheitern auch daran, wie der Staat, sprich: wir, Großaufträge vergeben. Unternehmen sagen: „Ja, machen wir zu diesen und jenem Preis.“ und schon bald sagen sie „Kostet doch mehr. Dauert doch länger. Kann doch viel weniger“ — und man lässt sie gewähren.

Ich finde, wir sollten Aufträge künftig nach dem Kleopatra-Prinzip vergeben. Ihr erinnert euch vielleicht an das schöne Asterix-Heft, in dem die ägyptische Herrscherin dem Baumeister Numerobis ein Angebot macht, das er nicht ablehnen kann: Gelingt ihm der Bau einer Pyramide in der vorgegebenen Zeit, wird er mit Gold überschüttet. Versagt er, wird er den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen.

Warum nicht genau so verfahren?

Bei einem Großprojekt werden Anforderungen aufgestellt und ein großzügiger Preis veranschlagt. Jedes Unternehmen kann sich bewerben und dasjenige mit den besten Referenzen erhält den Zuschlag. Die Anforderungen werden in ein Vertragswerk gegossen und drakonische Vertragsstrafen für den Fall des Misslingens vereinbart. Zu guter Letzt müssen mehrere Projektverantwortliche oder Vorstände auf Unternehmensseite eine persönliche Bürgschaft unterzeichnen.

Klappt das Projekt, enthält es nur die zuvor einkalkulierten Risiken, bleiben Zeit und Kosten im Rahmen und entspricht am Ende alles den Anforderungen, dann wird das Unternehmen mit Gold überschüttet. Dann kassieren die Manager_innen fette Boni, dann klingeln die Kassen, dann gibts eventuell Gewinnausschüttungen für die Aktionäre und vielleicht gar den berühmten Schluck aus der Pulle für die Belegschaft.

Misslingt das Projekt allerdings, überweist der Staat keinen Cent und die Vertragsstrafe wird fällig. Das bedeutet in der Regel, dass das Unternehmen den Krokodilen zum Fraß vorgeworfen wird. Das Privatvermögen derjenigen, die gebürgt haben, wird gepfändet, höchstwahrscheinlich kommt es zu einer Insolvenz und Entlassungen.

Der Staat kann entweder das unfertige Bauwerk einem anderen Unternehmen zur Fertigstellung überlassen oder dem ursprünglichen Unternehmen einen Teil der Vertragsstrafe erlassen, wenn das Ding doch noch fertig wird.

So oder so bekommt der Staat im Falle des Scheiterns zwar nicht wie geplant ein fertiges Großbauwerk (oder ein neues Flugzeug oder was auch immer), aber er macht finanziell sogar Gewinn.

Ob die Allgemeinheit einen Gewinn machen würde, weiß ich nicht. Natürlich kann die Insolenz eines großen Unternehmens andere mit in einen Strudel ziehen. Im Grunde sind wir hier bei der Systemfrage angelangt. Natürlich gäbe es die Möglichkeit, staatliche Aufträge von Staatsunternehmen ausführen zu lassen. Ob das besser funktionieren würde, weiß ich auch nicht. Aber eines weiß ich: Halber Kapitalismus funktioniert nicht. Wenn Unternehmen, die einen Auftrag annehmen, zwar Gewinn davontragen können, aber wenig bis kein Risiko tragen, dann wird es eben allzu oft nichts. Siehe Elbphilharmonie, Flughafen Berlin-Brandenburg, Airbus A400M.

Also: Wenn Kapitalismus, dann bitte auch richtig. Gold oder Krokodile. Dazwischen sollte es für Unternehmen nichts geben dürfen.